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CSI Elbland. Oder: Jugend forscht! (1988)

Zweimal in meinem Leben kam ich, wenn auch nur indirekt, mit der Stasi in Berührung. Zwar entpuppten sich einige meiner Lehrer in der Nachwendezeit als Inoffizielle Mitarbeiter (IM), diese waren aber allem Anschein nach auf ihre Pädagogenkollegen, statt auf uns kleine Schulbankdrücker angesetzt. Ich habe in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehrfach überlegt, aus reinem Interesse bei der Dresdener Dependance der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) einen Antrag auf Aktenauskunft zu stellen, dies jedoch wegen höchst wahrscheinlicher Ergebnislosigkeit stets wieder verworfen. Ich stamme aus keinem kirchlichen oder Dissidentenhaushalt und war im und an das System angepasst. Nein, als Politrevoluzzer war mit mir damals kein Staat zu machen.

Meine erste Begegnung mit dem selbsternannten „Schild und Schwert der Partei“ datiert auf die frühen 80er in mein zweites oder drittes Schuljahr. Zu einem der damals regelmäßig durchgeführten Pioniernachmittage erschien der Vater eines Mitschülers, der uns als „Kriminalist“ vorgestellt wurde. Die Familie wohnte in meinem Hauseingang zwei Etagen über uns und der Sohn des Hauses hatte mit mir schon die Kindergartenzeit geteilt. Nun zeigte uns der vorgebliche Kripo-Beamte allerlei Tricks und Kniffe der Spurensicherung und erkennungsdienstlichen Behandlung. Klar, dass das vor allem die Jungs interessierte. Fingerabdrücke abnehmen oder gar von einem Gegenstand sichern? Aber hallo! Stolz wie Bolle erzählte ich zu Hause meinen Eltern davon, die sich meiner Erinnerung nach nur wissend, aber stumm anblickten. Die Aufklärung, keinen Kriminalbeamten sondern einen waschechten Stasi-Offizier vor sich gehabt zu haben, wurde mir erst Jahre später nachgereicht. Jener Mielke-Bedienstete wurde wenig später an die stasieigene Hochschule in Potsdam versetzt, wodurch ich meinen Buddelkastenfreund aus den Augen verlor. Was aus Vater und Sohn im wiedervereinigten Deutschland wurde, ist für mich schon von Interesse, vielleicht sollte ich mit den Möglichkeiten des Internets etwas Recherche betreiben.

Jahre später gelangte die große DDR-Politik in unsere Provinzstadt. Am 17. Januar 1988 wurde der mit Berufsverbot belegte Liedermacher Stephan Krawczyk in Ost-Berlin verhaftet, wenige Tage darauf auch seine damalige Frau, die Theaterregisseurin Freya Klier. Das Paar wurde vor die Wahl zwischen 12 Jahren Gefängnis und Ausreise aus der DDR gestellt und am 2. Februar 1988 in die Bundesrepublik abgeschoben. Zwischen diesen beiden Daten saßen beide in der Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen ein und dies war der Anlass, dass über Nacht ausgerechnet an der Außenwand einer Kaserne der sowjetischen Garnison meiner Heimatstadt ein mit riesigen grünen Buchstaben gemaltes „FREIHEIT FÜR KRAWCZYK!“ auftauchte. Als diese Neuigkeit in der Stadt die Runde machte und ich die Losung noch selbst in Augenschein nehmen konnte, wurden die Buchstaben eiligst von den Rotarmisten überpinselt, während die Stasi zu ihren Ermittlungen ausschwärmte. Mehrere Angehörige meiner Schulklasse, die in unmittelbarer Nachbarschaft des Gebäudes wohnten, bekamen so unangemeldeten Besuch und wurden verhört, ebenso Familienangehörige und ältere Geschwister. Obwohl ich nur etwa 300 Meter vom Ort des Geschehens entfernt wohnte, ging dieser Kelch an mir und meiner Familie vorbei. Bis heute weiß ich nicht, ob der mutige Urheber je gefunden wurde, auch dies sicherlich ein Anlass, einmal gründlicher in der Stadtgeschichte zu forschen.

 
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Verfasst von - 31.10.2012 in 1988, 80er, Schulgeschichten, Zoon Politicon

 

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